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René Ziswiler

Gesunder Boden, gesunder Darm

Quelle; bioPress; Ein Bericht von Lena Renner

Was zeigen aktuelle Forschungen zum Mikrobiom des Bodens und des Menschen? Wie hängen die Mikroorganismen in Boden und Darm zusammen? Und was bedeutet das für die landwirtschaftliche Praxis und die menschliche Ernährung? Ganz im Zeichen des Mikrobioms stand eine Online-Tagung des Vereins ‚Aufbauende Landwirtschaft‘ am vergangenen Donnerstag, 22. September.


„Das Thema ist in der Mainstream-Wissenschaft angekommen“, sagte Martin Grassberger, Facharzt für Gerichtsmedizin und Autor der Bücher ‚Das leise Sterben‘ und ‚Das unsichtbare Netz des Lebens‘, zu Beginn der Tagung. Zahlreiche Artikel in den Fachzeitschriften Nature und Science wurden inzwischen darüber veröffentlicht.

Man wisse mittlerweile, dass das Mikrobiom – also die Gesamtheit der Mikroorganismen, die auf und in einem mehrzelligen Wirt leben – für viele essentielle Prozesse im Körper zuständig ist. Umweltchemikalien, Infektionen, Hygiene, Ernährung, Medikamente und Stress könnten das Mikrobiom im menschlichen Darm allesamt beeinflussen. Zwischen ‚Zivilisationskrankheiten‘ wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Depressionen, Autoimmunerkrankungen oder neurodegenerativen Erkrankungen und dem Mikrobiom gebe es immer einen Zusammenhang.


Humanes Mikrobiom im Darm

Sorgenkind Westen Zwar besitzt jeder Mensch ein einzigartiges Mikrobiom – für die Allgemeinheit lässt sich aber feststellen, dass das Mikrobiom in der westlichen Welt im Vergleich zu anderen Ländern die niedrigste Diversität aufweist. Naturnahe Völker erreichen die höchste Diversität und alle alten Ernährungstraditionen – ob mediterran, asiatisch, afrikanisch oder lateinamerikanisch – schneiden mit ihren hohen Pflanzenanteilen gut ab.

„Eine gesunde Ernährung sollte sehr divers sein und viele sekundäre Pflanzenstoffe und Ballaststoffe enthalten“, erklärte Grassberger. Gerne fehlen könnten dagegen Konservierungsstoffe: Durch ihren Zweck, Bakterienwachstum aufzuhalten, hätten sie auch einen negativen Einfluss aufs Mikrobiom. Außer durch pflanzenbasierte Ernährung können wir unser Mikrobiom etwa durch Sport, mehr Pflanzen in der Umgebung und weniger chemische Reinigung verbessern.

Positiv- statt Negativspirale In die Welt des Bodenmikrobioms führte Michael Schloter, Leiter der Abteilung für vergleichende Mikrobiomanalytik am Helmholtz Zentrum und Honorarprofessor für Mikrobiologie an der TU München, ein. „Wer den Boden gut bewirtschaften will, muss ihn kennen“, so der Experte. Am Beispiel der Atacama-Wüste zeigte er die Anpassungsfähigkeit von Mikroorganismen auf, die dort mit den extremen Bedingungen von wenig Nährstoffen und Trockenheit auskommen.

Der PH-Wert, die Feuchtigkeit, die Verdichtung, Düngemittel, Pflanzenrückstände und Pflanzen seien alles Faktoren, die die mikrobielle Vielfalt im Boden beeinflussen. In den letzten Jahren könne man einen Biodiversitätsverlust auf allen Ebenen feststellen – auch was Bakterien und Pilze angeht. Eine hohe Biodiversität aber sei ausschlaggebend für die Funktionalität und Anpassungsfähigkeit des Bodens. Durch Versauerung, Verschmutzung der Industrie, massive Düngung, Monokulturen und den Klimawandel gehe sie verloren. Die Folge sei eine Negativspirale, in der immer noch mehr Dünger und Pestizide nötig werden. „Wir wollen dagegen eine Landwirtschaft, mit der die mikrobielle Biodiversität erhöht wird“, erklärte Schloter. Im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Bonares-Projekt wird getestet, wie sich eine Positivspirale erreichen lässt: über neue Bodenzusätze wie Knochenkohle, Pflanzenbiodiversität als Treiber, die Nutzung von Unterböden oder die Transplantation von Boden mit hoher Biodiversität.

Moore als einzigartige Ressource für Biodiversität Die große Bedeutung von Mooren als Kohlenstoffsenken und einzigartige Ressource für Frischwasser und Biodiversität hob Gabriele Berg, Hochschullehrerin für Umweltbiotechnologie an der Technischen Universität Graz, hervor. Sie hätten eine große mikrobielle wie auch funktionelle Diversität – Kennzeichen von einem gesunden Mikrobiom. Zum Stressschutz produzieren die Mikroorganismen außerdem eine große Vielfalt von Resistenzgenen. „Diversität ist die Krankenversicherung für Ökosysteme“, meinte Berg. Drei Prozent der Erde sind heute mit Mooren bedeckt – früher waren es noch viel mehr. Moore vertragen Trockenheit und hohe Temperaturen nur schlecht und sind daher stark gefährdet durch den Klimawandel.

„Die Menschen können nicht gesünder sein als der Boden, in dem unsere Nahrung wächst“, zitierte Christoph Felgentreu aus dem Vorstand der Interessengemeinschaft gesunder Boden e.V. den Bioverfahrenstechniker Dr. Stefan Hügel.

Bodenfeinde: Düngemittel, Pestizide und Monokulturen In den letzten Jahrzehnten habe es in Folge einer starken Erhöhung des Düngemitteleinsatzes auch einen großen Rückgang der Biodiversität gegeben. Besonders drastisch sei die Entwicklung in England und den Niederlanden, wo klassische Weizenanbaubetriebe vorherrschen. „Bei Monokulturen verabschiedet sich die Biodiversität im Boden“, so Felgentreu. Auch Pestizide schädigten vor allem Organismen, die für den Erhalt gesunder Böden von entscheidender Bedeutung sind.

Bei der Global Change Experimental Facility (GCEF) in Bad Lauchstädt (Sachsen-Anhalt) – einem großen Feldexperiment, das vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung durchgeführt wird – werden die Folgen des Klimawandels für Ökosystemprozesse in verschiedenen Landnutzungstypen untersucht. Durch eine intensive Landnutzung könnte es demnach bis ins Jahr 2100 um 47 Prozent weniger Insekten geben. „Wir müssen so schnell wie möglich einen Stopp einlegen!“, folgerte Felgentreu.

Diverse Zwischenfrüchte, diverser Boden Ein gesunder Boden gewährleiste durch die natürliche Schutzfunktion der Pflanzen einen ‚Gratis-Pflanzenschutz‘. Der Humusgehalt in Brandenburger Böden liege aktuell bei bis zu 1,5 Prozent – anzustreben seien dagegen mindestens fünf Prozent. Die wichtigste Aufgabe der Landwirte, um dahinzukommen, sei es, den Boden zu bedecken, um das Mikrobiom vor Überhitzung zu schützen – am besten mit lebendem Material. Um die Biodiversität im Ackerbau zu steigern, empfiehlt Felgentreu etwa Zwischenfrüchte, Begleitsaaten, ein Mischkultursystem mit mehr als einer Hauptkultur oder sogenanntes ‚Intercropping‘ mit zwei Hauptkulturen. All diese Verfahren förderten humusdynamische und symbiontische Prozesse.

Mit zunehmender Diversität der Zwischenfruchtmischungen steige auch die mikrobielle Diversität im Boden. Interessanterweise haben bei uns gängige Zuchtsorten wie Weizen eine geringe Nährstoffkonzentration. Auch die beliebte Zwischenkultur Senf richte mehr Schaden als Nutzen an: Sie habe negative Auswirkungen auf die Bodenstruktur und sei mit einer hohen Ausgasung an Stickstoff verbunden. Empfehlenswerter sind etwa Kulturen wie verschiedene Kleesorten, Felderbse oder Flachs.

Um die Wasser- und Nährstoffspeicherfähigkeit und die biologische Aktivität der Böden zu erhöhen, gilt es, Pflug- und andere Sohlenverdichtungen zu vermeiden, eine ausgewogene Basensättigung anzustreben, organische Substanz wie Dung oder Kompost zuzuführen und das Bodenleben, insbesondere Regenwürmer, zu fördern.

Was muss sich ändern? Im Schlusspodium kamen die Referenten auf notwendige Änderungen in Gesellschaft und Landwirtschaft zu sprechen. Laut Schloter fehlt aktuell in der Landwirtschaft der Transfer von der Theorie zur Praxis. Auch für Felgentreu gibt es zu wenig angewandte Wissenschaft. Die Grundlagenforschung laufe zwar super, komme aber nicht auf den Feldern an. Durch eine erschreckend rückwärtsgewandte Ausbildung wüssten junge Landwirte nichts vom aktuellen Forschungsstand. Positiv sei, dass viele eigene Feldversuche machen und sich nach dem Prinzip ‚trial and error‘ weiterentwickeln.

Darüber, dass es eine drastische Neuausrichtung der Landwirtschaft braucht, bestand unter den Referenten Einigkeit. Der Produktionsschwerpunkt auf Getreide und Fleisch widerspreche der Ernährung, die wir eigentlich brauchen. Aus wissenschaftlicher Sicht müsse jeder seine Ernährung auf ‚mehr pflanzlich‘ umstellen, wofür es wiederum seitens der Landwirtschaft mehr kleinflächigen Gemüseanbau brauche. Es sei ein kultureller Wandel nötig zu einem bewussteren Essen, das uns gut tut – für ein gesundes Mikrobiom in Darm und Boden.

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